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Veranstaltung "Leben mit dem Klimawandel" in Frankfurt

Wiesbaden / Darmstadt, 6. November 2013 - ESA-Direktor Dr. Thomas Reiter und weitere Experten präsentierten gestern Handlungsmöglichkeiten und Perspektiven des Klimaschutzes

In seinem unlängst vorgelegten Sachstandsbericht hat der Weltklimarat erneut betont, dass der Klimawandel eine der großen gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit ist – und bleiben wird. Doch was weiß die Wissenschaft wirklich über den Klimawandel? Wie können private Verbraucher durch ihr Konsum- und Ernährungsverhalten zum Schutz des Klimas beitragen? Was darf man von technologischen Innovationen beim Kampf gegen die Erderwärmung erwarten? Und inwiefern müssen wir uns in Hessen schon heute an die unausweichlichen Folgen des Klimawandels anpassen?

Diese und weitere Fragen hat gestern die vom Hessischen Umweltministerium ausgerichtete Veranstaltung „Leben mit dem Klimawandel“ thematisiert. Rund 180 Teilnehmer waren der Einladung ins Instituto Cervantes Frankfurt gefolgt, um mit dem ehemaligen Astronauten und heutigem Direktor der europäischen Weltraumorganisation ESA, Dr. h.c. Thomas Reiter, dem Vizepräsidenten des Deutschen Wetterdienstes, Dr. Paul Becker, und weiteren namhaften Referenten aus Wissenschaft und Praxis über Fakten, Handlungsmöglichkeiten und Perspektiven des Klimawandels zu diskutieren.

Thomas Reiter: „Unser Planet ist extrem verletzlich“
In seinem Eröffnungsvortrag unterstrich der ehemalige Astronaut und heutige Direktor der europäischen Weltraumorganisation ESA in Darmstadt, Dr. h.c. Thomas Reiter, dass die Fragilität des globalen Ökosystems wieder verstärkt ins Bewusstsein der Bevölkerung gerückt werden muss: „Wann immer ich unseren wunderschönen Planeten aus dem Orbit betrachten konnte, wurde mir deutlich, wie verletzlich die Erde in der Unendlichkeit des Weltraums ist!“

Für die Langwierigkeit bei internationalen Verhandlungen hat Reiter angesichts der Tragweite der Herausforderungen kein Verständnis: „Die Wahrnehmung von Themen wie Klimawandel, Umweltschutz und Grenzen des Wachstums verschiebt sich und es wird deutlich: Wir sitzen alle in einem Boot und können auf die großen globalen Fragen nur gemeinsam Antworten finden.“ Führende europäische Umweltsatelliten werden u.a. im Satellitenkontrollzentrum ESA/ESOC in Darmstadt gesteuert.

Der Klimawandel macht keine Pause
Ungeachtet der derzeitigen Diskussion über das tatsächliche Tempo der Erderwärmung herrscht in der Klimaforschung Gewissheit darüber, dass der Klimawandel weiter voranschreitet. So stellte der Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes, Dr. Paul Becker, in seinem Vortrag klar: „Der vom Menschen verursachte Klimawandel findet nach wie vor statt. Er wird derzeit aber von natürlichen Klimaschwankungen überlagert.“

Beckers Bestandsaufnahme spiegelt sich nicht zuletzt in der Entwicklung des weltweiten Treibhausgasausstoßes wieder: Zwar haben einige Länder wie Deutschland, die nördlichen EU-Staaten oder Japan ihre CO2-Emissionen in den letzten 15 Jahren gesenkt. Weltweit betrachtet ist der Ausstoß im gleichen Zeitraum indes um fast 50% gestiegen und hat so zu immer neuen Höchstwerten der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre geführt, wie Michael Strogies, Ko-Autor des aktuellen deutschen Emissionsberichts vom Umweltbundesamt betonte. „Die in Deutschland und Europa erreichten Minderungen werden durch Zunahmen in anderen Ländern und Regionen deutlich überkompensiert. Daher benötigen wir dringend die Verabschiedung eines neuen internationalen Vertrages, in dem alle Länder entsprechend ihrer Voraussetzungen Verpflichtungen zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen übernehmen“, so Strogies.

Ernährung als gewichtiger – und einfacher – Beitrag zum Klimaschutz
Die erforderliche Emissionstrendumkehr wird sich nicht ohne Verhaltensänderungen auch im privaten Konsumbereich bewerkstelligen lassen – dies gilt auch für die eigenen Ernährungsgewohnheiten. Mit einem Anteil von ca. 15 bis 20 Prozent an den durchschnittlichen pro-Kopf-Emissionen zählt die Ernährung zu den größten Faktoren der individuellen CO2-Bilanz. Dr. Maria Müller-Lindenlauf, am Heidelberger Institut für Energie und Umwelt Expertin für nachhaltige Lebensmittel, stellte in ihrer Präsentation die Maximen einer klimafreundlichen Ernährung heraus: „Die effektivste Weise, den CO2-Fußabdruck der Ernährung zu senken, ist eine Reduktion des Konsums von Fleisch und Milchprodukten – sowie der Verzicht aufs Auto beim Kauf regionaler Lebensmittel.“

Wie sich diese Grundsätze ohne großen Mehraufwand in das eigene Ernährungsverhalten übersetzen lassen, veranschaulichte der Bad Vilbeler Bio-Spitzenkoch Christian Kolb. „Was zählt, ist eine bewusste und reflektierte Einkaufsentscheidung, bei der die Wertschätzung für gute Lebensmittel im Vordergrund steht – nicht die Makellosigkeit von Produkten oder die Werbung von und mit Testimonials“. Dass derart klimafreundlich zubereitete Menüs nicht nur ökologisch nachhaltig, sondern zugleich äußerst schmackhaft sind, davon konnten sich die Teilnehmer in der anschließenden Mittagspause selbst überzeugen.

Technologische Innovationen (noch) keine Allheilmittel
Angesichts der bis dato vergeblichen Bemühungen durch die internationale Staatengemeinschaft, sich auf verbindliche Reduktionsverpflichtungen festzulegen, werden seit einigen Jahren verstärkt Hoffnungen in technische Innovation zum Schutz des Klimas gesetzt. Die unterirdische Speicherung von CO2, die sogenannte Carbon Capture and Storage-Technologie (CCS), zählt dabei zu den bereits etablierteren Ansätzen. Das Potenzial von CCS sei angesichts der weltweiten Lagerkapazitäten grundsätzlich enorm, erklärte Dr. Peter Viebahn vom Wuppertal Institut für Umwelt, Klima, Energie. Auch die Umweltverträglichkeit sei durch verschiedene – auch in Deutschland umgesetzte – Demonstrationsprojekte unter Beweis gestellt worden. Allerdings hätten zahlreiche, in den letzten Jahren aus verschiedenen Gründen gescheiterte oder verschobene Projekte die tatsächliche Leistungsfähigkeit der Technologie in Frage gestellt, so Viebahn einschränkend weiter. Die Steigerung der Akzeptanz gegenüber CCS werde in Europa ein entscheidender Faktor für die Zukunft der Technologie sein.

Demgegenüber befinden sich die unter dem Begriff „Climate Engineering“ zusammengefassten und auf naturwissenschaftlichen Methoden beruhenden Eingriffe in das Klimasystem noch in einem frühen Entwicklungsstadium. So wurde der durch künstliche chemische Reaktionen herbeigeführte Entzug von CO2 aus der Atmosphäre genauso erst im Labor erprobt wie die Beeinflussung der Sonneneinstrahlung durch artifiziell erzeugtes Schwefeldioxid in Wolken. Daher resümierte Dr. Peter Köhler vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung: "Die meisten Climate Engineering-Verfahren existieren bislang nur in der Theorie und in Computermodellen. Bevor ernsthaft über eine Anwendung nachgedacht werden kann, ist die intensive Erforschung ihrer Wirkungen und Nebenwirkungen unabdingbar."

Trotz Anpassungsbedarf kein Grund zu Alarmismus
Bis die Climate Engineering-Technologien ihre erhoffte Wirkung zeigen, könnten die Auswirkungen des Klimawandels bereits vielerorts sichtbar geworden sein. Susanne Hempen, im Bundesumweltministerium mitverantwortlich für die Umsetzung der Deutschen Anpassungsstrategie, unterstrich daher die Notwendigkeit, die bereits existierenden Anpassungsmaßnahmen auf lokaler, deutscher und europäischer Ebene miteinander zu verzahnen. Darüber hinaus gelte es, aus den bereits umgesetzten Pionierprojekten, die im sogenannten „Klimalotsen“ des Ministeriums dokumentiert werden, Lerneffekte zu ziehen.

Einen Einblick, wie sich eine Region in der Praxis konkret an die bereits eingesetzten und prognostizierten Konsequenzen des Klimawandels anpassen kann, gab zum Abschluss der Veranstaltung der Beigeordnete im Landkreis Darmstadt-Dieburg, Christel Fleischmann. Fleischmann koordiniert das Modellprojekt „Klimaanpassung im Landkreis Darmstadt-Dieburg“ und hob in seiner Präsentation nachdrücklich hervor, dass sich frühzeitige Überlegungen zur eigenen Betroffenheit auszahlen: „Wetterextreme und andere Auswirkungen des Klimawandels müssen frühzeitig bei Planungen und Investitionen berücksichtigt werden. Vorsorgemaßnahmen müssen nicht teurer sein. Im Gegenteil: Sie können sogar Kosten sparen!"

Abgerundet wurde die von Joachim Mahrholdt moderierte Veranstaltung durch eine begleitende Ausstellung, bei der hessische Unternehmen und Institutionen ihr Engagement für das Klima präsentieren und so die Teilnehmer für die individuellen Möglichkeiten des Klimaschutzes sensibilisieren konnten.

KONTAKTE:
Sylvia Vanderhorst
Hessisches Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Referat „Klimaschutz, Energieförderung“
E-Mail: sylvia.vanderhorst@hmuelv.hessen.de
www.hmuelv.hessen.de

Philipp Hallenberger
HA Hessen Agentur GmbH
Transferstelle Internationaler Emissionshandel Hessen
Telefon: 0611 95017-8419
E-Mail: philipp.hallenberger@hessen-agentur.de
http://www.hessen-agentur.de/dynasite.cfm?dsmid=16148&newsid=13717#news

Corporate Communcation Office
European Space Agency ESA / ESOC
Robert-Bosch-Strasse 5
D-64293 Darmstadt
Email: esoc.communication@esa.int
Tel.: 49 - 6151 - 90 2516
www.esa.int/eo - www.esa.de

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